Durch den Suezkanal in die Türkei

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Im Yacht Club von Port Suez warten im Moment fünfzehn Segler auf den Kanaltransit Richtung Mittelmeer. Seit zwei Tagen dürfen keine Boote in den Suezkanal einfahren, weil gelegentlich Kriegsschiffe der Nato im Kanal unterwegs sind. Die Kriegsschiffe fürchten sich vor uns, weil es vor Jahren von einem kleineren Boot aus einen Anschlag auf ein amerikanisches Kriegsschiff gab. Als Laie fragt man sich allerdings, welchen Nutzen können Kriegsschiffe haben, die nicht mal einem Segelboot gewachsen sind. Dass Kriegsschiffe bei der Piratenabwehr nutzlos sind, haben wir erst vor einigen Wochen hautnah erfahren.

Wir wollen die Wartezeit in Port Suez zu einem Ausflug nach Kairo nutzen und buchen bei Captain Heebi einen kleinen Bus mit Führer. Die Crews  der Mama Coca, Joana und Ratafia schließen sich uns an. Als erstes besichtigen wir das Ägyptische Museum in Kairo. In dem Museum (Fotografierverbot) ist heute die umfassendste und bedeutendste ägyptische Kunstsammlung der Welt untergebracht. Leider werden die wertvollen Funde aus der Zeit der ägyptischen Hochkultur schlecht präsentiert.

Im Suez Yacht  Club

Ägyptisches Museum

Am meisten beeindruckend ist der Schatz des Tutenchamun, der von dem Engländer Carter 1922 im Tal der Könige entdeckt wurde. Dabei handelt es sich um das Grab des neunzehnjährigen Herrschers Tutenchamun, in dem mehrere Sarkophage und unzählige kostbare Grabbeigaben gefunden wurden. Allein der Sachwert des Goldes ist immens.

Mittags essen wir in einem Restaurant mit Blick auf die Pyramiden von Gizeh. Am Eingang des Pyramidengeländes empfiehlt uns unser Führer, die Tour zu den Pyramiden mit Kamelen oder Kutschen zu machen. Wir lehnen dankend ab und bringen ihn damit um das begehrte Bakschisch.

Der Anblick der drei großen Pyramiden, Cheops, Chephren und Mykerinos, ist gewaltig. Die Pyramiden wurden vor mehr als 4500 Jahren erbaut, als die Ägypter das Rad noch nicht kannten. Die größte Pyramide (Cheops) war ursprünglich 147 m hoch (heute 138 m) und hat eine Seitenlänge von 230 m. Sie wurde aus drei Millionen Steinblöcken errichtet, die im Mittel 2,5 Tonnen wiegen.

Als erstes besichtigen wir den Sphinx, der über 70 m lang ist und aus dem vorhandenen Stein gehauen wurde. Auf dem Weg dorthin werden uns die verschiedenste Dienste angeboten, die wir bis auf einige Fotos ablehnen. Beim Aufstieg zur Cheops-Pyramide werden die Angebote immer aggressiver. Wir sollen für Fotos zahlen, weil zufällig ein Kamel mit drauf ist. Offizielle Aufseher, die uns vor den Belästigungen schützen, halten anschließend auch sofort die Hand auf.

Die drei großen Pyramiden

Sphinx

Da uns die Zeit davon rennt, nehmen wir das Angebot eines Kutschers an, uns zu der Mykerinos-Pyramide und dem Platz oberhalb dieser Pyramide zu bringen, von der man einen guten Blick auf das gesamte Gelände hat. Dem alten Gaul fällt es sichtlich schwer, uns den Hang hinaufzuziehen, und die Kutsche gerät oft in eine gefährliche Schräglage. Bergab wir es noch kritischer. Nachdem das arme Tier auf der glatten Strasse mehrmals ausgerutscht und fast zu Boden gegangen ist, bezahlen wir den vereinbarten Preis und steigen aus. Zu Fuß erreichen wir etwas später, aber viel sicherer, unsere Gruppe an dem vereinbarten Treffpunkt.

Chephren-Pyramide

Angebot einer Kutschfahrt

Alle sind verärgert über die lästigen Begleiterscheinungen bei der Pyramidenbesichtigung. Wir beschließen deshalb, auf die geplante Light Show vor den Pyramiden zu verzichten und dafür den großen Supermarkt Carrefour am Rande der Stadt aufzusuchen. Zurück an Bord denken wir über die verschieden Seiten unseres Ausflugs nach. Ohne Korruption und Bakschischjäger könnte Ägypten wirklich schön sein.

Wir beobachten die Wetterprognosen für das Mittelmeer und sehen keine günstigen Bedingungen für die geplante Fahrt nach Kreta. Also nutzen wir die Zeit für verschiedene Wartungsarbeiten (z.B. Ölwechsel) und Fahrten in die Stadt Suez. Nach den künstlichen Städten Port Ghalib und El Gouna ist Suez die erste richtige Stadt, die wir in Ägypten kennenlernen. Der Markt ist sehr interessant, aber sonst ist die Stadt wenig attraktiv und sehr schmutzig. Baulücken werden als Müllkippen benutzt. Wir fragen zwei Schulmädchen in Uniform nach einem Bäcker. Sie zeigen uns freundlich den Weg. Doch als wir beim Bäcker angekommen sind, verlangen sie Bakschisch. Die ägyptische Bakschischmentalität wird uns immer lästiger.

Bakschischjäger

Markt in Suez

Am 15.4.10 verabschieden wir abends unsere Freunde von der Sleipnir. Evi und Wolfgang wollen Morgen den ersten Teil des Suezkanals bis Ismailia durchfahren. Wir werden ihnen einen Tag später folgen und dann in Ismailia auf günstige Winde für Kreta warten.

Captain Heebi erledigt alle Formalitäten (Ausklarieren, Kanalgebühren) und verlangt dafür etwas über 500 USD. Die Kanalgebühren liegen bei 300 USD und sollten sich nach der Vermessung richten, die vor einigen Tagen erfolgte. Belege gibt es nicht. Später stellen wir durch Vergleich mit anderen Schiffen fest, dass der freundliche Captain Heebi uns zu viel Geld abgenommen hat.

Am nächsten Tag kommt um 10 Uhr der Lotse (Pilot) an Bord, der uns auf dem ersten Teilstück des Kanals bis Ismailia begleiten soll. Auf seinen Wunsch lasse ich ihn mit dem Autopiloten steuern. Aber bei der Drehzahl bestehe ich auf maximal 2000/min (ca. 6 kn), um den Motor nicht unnötig zu belasten. Mit der Strömung kommen wir damit zeitweise auf mehr als 8 kn Fahrt. Die riesigen Containerschiffe sind natürlich noch etwas schneller und überholen uns reihenweise. Später kommen sie uns entgegen. Die Landschaft um den Kanal herum ist eintönig. Auf der rechten Seite liegt die Wüste Sinai, auf der linken Seite gibt es kleinere Ortschaften und etwas grünes Land. Überall ist Militär präsent. Verwunderlich ist, dass immer wieder kleine Fischerboote auf dem stark befahrenen Kanal unterwegs sind.

Unser Lotse lässt sich fürstlich bedienen, setzt die Toilette unter Wasser und bittet um eine Unterlage für sein Mittagsgebet. Er betont mehrmals, dass er für seine gute Arbeit ein großzügiges Geschenk erwartet, dass vor der Ankunft übergeben werden sollte.

Gegen 16.30 Uhr liegt das erste Teilstück des Suezkanals, das 82 km lang ist, hinter uns, und wir steuern auf den Yacht Club in Ismailia zu. Wilma übergibt dem Lotsen 20 USD und einige Packungen Zigaretten. Doch unser Lotse ist zutiefst beleidigt und fordert 50 USD als Minimum. Da wir seine Hilfe beim Anlegen benötigen, legen wir noch 10 USD drauf. Das war unnötig, denn schließlich ankern wir vor dem Yacht Club, weil es uns an der Kaimauer zu flach erscheint.

Der Yacht Club Ismailia hat nicht viel zu bieten, wie wir morgens bei unserem ersten Landgang feststellen. Es gibt auch keinen Internetzugang. Also machen wir uns auf den Weg in die Stadt. An den beiden Kontrollposten des Hafeneingangs gehen wir freundlich grüßend schnell vorbei, denn wir dürfen den Hafenbereich eigentlich nicht verlassen , weil wir schon ausklariert haben.

Die Stadt Ismalia ist etwas moderner und nicht ganz so schmutzig wie Suez. Es gibt einen modernen Supermarkt (Metro), der abgesehen von alkoholischen Getränken, kaum Wünsche offen lässt. Die in der Nähe liegenden Internet-Cafes haben leider geschlossen, weil Freitag ist. Mit einem Taxifahrer finden wir aber in einem anderen Stadtteil ein geöffnetes Internet-Cafe, in dem wir uns über die Wetterlage informieren können. Es sieht nicht gut aus für die Fahrt nach Kreta.

Strasse in Suez

Moschee in Ismailia

Nachmittags verlegen wir uns an die Kaimauer. Die Wassertiefe ist doch ausreichend und die Bojen machen einen guten Eindruck. Später treffen mehrere Segler ein, die alle an der Kaimauer festmachen. Unter ihnen ist auch die Adelante mit Margrit und Jürg, die wir in El Gouna kennengelernt haben.

Auch beim zweiten Stadtgang passieren wir die Polizeiposten, ohne unsere Pässe vorzuzeigen. Andere Segler werden dagegen immer kontrolliert. Um den illegalen Zustand zu beenden, suchen wir die Immigrationsbehörde in der Stadt auf. Hier kommt man nach Durchsicht unserer Pässe zu dem Schluss, dass wir nichts unternehmen müssen. Wir können nun davon ausgehen, dass auch die Polizisten den Ausreisevermerk im Pass nicht erkennen. Tatsächlich werden wir in den nächsten Tagen häufiger kontrolliert, aber niemand erkennt oder versteht den Ausreisestempel.

Bei den täglichen Stadtbesuchen analysieren wir die Wetterlage. Da sich einfach keine günstigen Bedingungen für Kreta zeigen, beschließen wir, über die Türkei nach Kroatien zu fahren. In dieser Richtung deutet sich für die nächsten Tage ein günstiges Wetterfenster an.

Am  26.4. ist es endlich soweit. Kurz nach 10 Uhr kommt der Lotse für den zweiten Kanalabschnitt an Bord. Wir sind extrem vorgespannt. Aber der ältere Herr, der praktisch kein Englisch spricht, ist von anderem Charakter. Erst nach einiger Zeit fragt er, ob er das Boot steuern darf. Ich überlasse ihm die eintönige Aufgabe gern und kann mich entspannt zurücklehnen. Gegen 18 Uhr erreichen wir nach 78 km Port Said. Nun spricht der Lotse das Geschenk an, das er vor Ankunft des Lotsenbootes erwartet. Wir geben ihm unser restliches ägyptisches Geld im Wert von 20 USD und einige Packungen Zigaretten, auch für das Lotsenboot. Er bedankt sich mehrmals und ist offensichtlich sehr zufrieden. Jetzt müssen wir nicht mehr befürchten, vom Lotsenboot gerammt zu werden, wie es anderen Seglern passiert ist. Kurze Zeit später wird der Lotse von dem Lotsenboot abgeholt und wir können dieses unangenehme Land in Richtung Mittelmeer verlassen.

Im Suezkanal

Port Said

Inzwischen ist es dunkel und es herrscht ein reger Schiffsverkehr. Bei leichtem Nordwind fahren wir unter Motor an dem großen Feld der Ankerlieger vorbei und nehmen dann Kurs auf Finike in der Türkei. Im Laufe der Nacht kommt ein leichter Ostwind auf, mit dem wir einige Stunden segeln können. Danach müssen wir wieder den Motor einsetzen. Erst am Nachmittag des zweiten Tages setzt der angekündigte stärkere Nordwestwind ein. Wir binden drei Reffs ins Großsegel, um für die Nacht gerüstet zu sein.

In der Nacht nimmt der Wind ständig zu und wir kommen gut voran, allerdings nicht mehr in Richtung Finike, sondern in Richtung Zypern. Wir hoffen aber, dass der Wind später auf Südwest dreht und wir Finike so noch unter Segel erreichen können.

Morgens nehmen Wind und Wellen weiter zu. Es sind lange Wellen, wie wir sie vom Pazifik her kennen. Trotzdem ist das Segeln hoch am Wind bei über 20 kn unangenehm und wir überlegen nach Zypern abzulaufen. Nachmittags lässt der Wind etwas nach und in der Nacht dreht er mehr in Richtung Westen. Damit kommen wir jetzt gut an Zypern vorbei. Störend ist immer noch der starke Gegenstrom (0,5 – 1 kn).

Am nächsten Morgen ist der Wind so schwach, dass wir kurze Zeit mit Motor fahren müssen. Danach stellt sich ein konstanter Westwind (10-15kn) ein, mit dem wir direkt in Richtung Finike segeln können. Bei Sonnenuntergang schläft der Wind ein. Wir starten die Maschine und erreichen um Mitternacht Finike, wo wir vor der Marina ankern.

Das Warten auf ein günstiges Wetterfenster hat sich wieder bewährt. Während wir die Strecke in die Türkei überwiegend segeln konnten, haben andere die Strecke in die Türkei bzw. nach Zypern nur mit Motor zurückgelegt.

Morgens fahren wir in die Marina. Es ist alles gut organisiert, ordentlich und sauber. Wir sind wieder in Europa, obwohl dieser Teil der Türkei geografisch nicht dazu gehört. In der Marina gibt es Restaurants und Cafes, einen kleinen Supermarkt, mehrere Servicebetriebe und einen Laden für Bootszubehör mit breitem Angebot. Wann haben wir das zum letzten Mal gesehen?

Das Einklarieren ist etwas umständlich und muss über eine Agentur laufen. Aber nachmittags ist auch das erledigt und wir können einen ersten Rundgang durch die Stadt unternehmen. Finike hat sich in den letzten fünf Jahren sehr positiv entwickelt. Es gibt gepflegte öffentliche Anlagen und die Strassen sind sauber und befestigt. An mehreren Stellen wird die Partnerschaft mit der Stadt Mosbach hervorgehoben.

In der Marina liegen mehrere Weltumsegler, die wir kennen: Bluesipp, Shiva, Blue Marlin und andere Skandinavier. Lilian und Rudi von der Shiva sind zurzeit leider auf Heimaturlaub. An einem Steg lernen wir Bettina und Kurt kennen, die sich mit ihrer Vigo auf eine Weltumsegelung vorbereiten. Sie laden uns für den Abend spontan zum Bier ein und möchten dann natürlich viel über unsere Reise wissen.

Der nächste Morgen beginnt mit einer Überraschung. Evi und Wolfgang sind in Finike angekommen, nachdem sie eine Woche auf Zypern waren. Das freudige Ereignis wird abends auf der Aquila gebührend gefeiert. Auch die Crews der Vigo und der Maloo (Fritz) sind dabei. Doch schon am nächsten Abend treffen wir uns mit Evi und Wolfgang zu einem Abschiedsessen, denn wir wollen weiter nach Marmaris fahren.

Auf der Strecke von Finike nach Marmaris ist in den nächsten Tagen mit schwachem Wind zu rechnen, der nachmittags auffrischt und dann von vorn kommt. Wir planen deshalb, die 130 sm in drei Tagestörns zurückzulegen und morgens sehr früh aufzubrechen. Am 3.5. starten wir eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang zur ersten Etappe nach Kas, wo wir schon mittags in der Bucht Bayindir ankern. Auf der zweiten Etappe nach Göcek und der dritten Etappe nach Marmaris können wir zeitweise sogar segeln.

Am 5.5.10 kreuzen wir vor Marmaris (Büyük Bogaz) unsere Kurslinie vom 28.5.05. Die Aquila hat damit die Welt umsegelt.

Entspannt zurücklehnen können wir uns aber erst, wenn wir in der Yacht Marina festgemacht haben. Tatsächlich bekommen wir wohl einen der letzten freien Plätze in dieser riesigen Marina. Als wir hier vor fünf Jahren zu unserer Weltumsegelung aufbrachen, gab es hier noch viel Platz. Auch sonst hat sich in der Marina einiges verändert. Es gibt noch mehr Servicebetriebe und das Schwimmbad und das Restaurant wurden modernisiert und vergrößert. Im Restaurant feiern wir abends den Abschluss unserer Weltumsegelung und ziehen eine kurze Bilanz.

Im Park von Finke

Aquila wieder in Marmaris

Die Reise hat länger gedauert als ursprünglich geplant, war aber auch interessanter und ereignisreicher als erwartet. Wir haben viele nette Menschen kennengelernt und unvergessliche Einblicke in fremde Länder und Kulturen gewonnen. Größere Probleme gab es, abgesehen von der unglaublichen Impellergeschichte, auf den 29970 Seemeilen nicht. Wir haben keine anhaltenden Stürme (> 40 kn) auf See erlebt, wurden nicht von Piraten überfallen, hatten beim Ankern keine Probleme mit Korallenköpfen und haben uns nie in einem Fischernetz verfangen.

In den nächsten Tagen wollen wir durch die Ägäis und den Kanal von Korinth in Richtung Kroatien fahren. Die Aquila soll in der Marina Cres an Land gestellt und dann nur noch für kürzere Törns im östlichen Mittelmeer benutzt werden.

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