Mit Südwind durch das Rote Meer

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Das Rote Meer gilt unter Seglern als ein schwieriges Gewässer. Es sind aber nicht die Piraten, sondern die starken nördlichen Winde, vor denen man sich fürchtet. Die Versicherungen denken mehr an die gefährlichen Riffe, durch die viele Schiffe verloren gehen, und verlangen erhöhte Prämien für die Durchfahrt.

Das Frühjahr (März, April) gilt als beste Zeit für die Fahrt nach Norden. Dann sind im südlichen Teil des Roten Meeres, d.h. von der Einfahrt bei Bab el Mandeb bis Port Sudan, Nord- und Südwinde gleich wahrscheinlich. Mit viel Glück und Geduld kann man die 700 sm bis Sudan segeln. Im nördlichen Teil des Roten Meeres und im Golf von Suez kommt der Wind fast immer von Norden und ist meistens sehr stark. Aber es gibt auch Schwachwindtage und Flauten, in denen man die letzten 700 sm bis zum Suezkanal mit Motor überwinden kann. Nach den letzten Prognosen haben wir eine Südwindlage, mit der wir bis nach Port Sudan kommen könnten.

Am 5.3.2010 laufen wir um 9 Uhr zusammen mit der Sleipnir aus Aden aus. Es weht ein leichter Ostwind, mit dem wir unter Genua einigermaßen gut voran kommen. Kurzzeitig setzen wir auch die Maschine ein. Am nächsten Morgen fahren wir durch das Bab el Mandeb (Tor der Tränen) in das Rote Meer ein. Den schönen Namen hat das Gebiet bekommen, weil es den Seeleuten hier bei starken Winden oft zum Weinen war. Heute ist der Wind an dieser Stelle mit 15 kn aus Ost sehr moderat.

Im Laufe des Tages nimmt der Wind im Roten Meer allerdings ständig zu. In der Nacht weht es mit 25 bis 30 kn aus östlicher Richtung. Nördlich der Hanish Islands, die wir östlich passieren, nimmt der Wind tagsüber ab und dreht auf Süd. Jetzt haben wir angenehme Segelbedingungen. Mit der Sleipnir sind wir immer auf Sichtkontakt. Da die Schiffe sehr unterschiedliche Segeleigenschaften haben, müssen wir uns ständig über Funk abstimmen und die Geschwindigkeiten anpassen. Auch der starke Schiffsverkehr erfordert volle Aufmerksamkeit.

Die Segelbedingungen sind am nächsten Tag ähnlich gut, nur der Wind ist etwas schwächer. Nachmittags hören wir auf UKW (Kanal 16) einen Mayday-Ruf. Ein Frachter wird von Piraten angegriffen. Es geht dramatisch zu, aber wir können nicht alles verstehen. Auch die Position kommt bei uns nicht eindeutig an. Nach einiger Zeit gibt es Entwarnung, der Piratenangriff konnte abgewehrt werden.

Doch schon bald gibt es den nächsten aufgeregten Funkruf auf Kanal 16. Der Frachter Chemical Marine bittet ein Kriegsschiff dringend um Hilfe, weil sich ihm drei verdächtige Boote nähern. Das Kriegsschiff lässt sich den Vorgang detailliert schildern und stellt dann nüchtern fest, dass es keine Hilfe leisten kann, weil es 70 sm entfernt ist. Später hören wir den Frachter wieder im normalen Funkverkehr. Wir schließen daraus, dass auch dieser Piratenangriff erfolgreich abgewehrt werden konnte.

Der Angriff ereignete sich in der Nähe der Hanish Islands. Dass hier noch Piratengefahr besteht, haben wir nicht gewusst. Es wird auch in keinem Dokument erwähnt.

Auch am fünften und sechsten Tag bleibt uns der Südwind erhalten und die Prognosen zeigen noch kein Ende der ungewöhnlichen Wetterlage. Allerdings ist der Wind nachts deutlich schwächer, so dass wir zeitweise mit Motor fahren müssen.

Die beiden nächsten Tage sind ähnlich. Es ist unglaublich. Wir segeln wie unter Passatverhältnissen im Roten Meer nach Norden. Unglaublich ist auch, dass wir mit der Blue Pearl, die 170 sm vor uns segelt, ein Funkgespräch über UKW führen können. Normalerweise kommen wir über 30 sm selten hinaus.

Am neunten Tag nähern wir uns Port Ghalib in Ägypten. Nach den Prognosen soll der Südwind noch zwei Tage andauern. Trotzdem beschließen wir zusammen mit Evi und Wolfgang unseren außergewöhnlichen Törn durch das Rote Meer in Port Ghalib zu unterbrechen. Denn hier soll man gut liegen und einfach einklarieren können.

Am 14.3. legen wir um 11 Uhr an der Customs Pier in Port Ghalib an. Drei junge Männer kümmern sich um die Einklarierung. Wir müssen mehrere Formulare ausfüllen und dann warten. Während wir warten laufen die Silvercurl, Blue Pearl, Chenoa und Pacific Star aus der Marina aus. Sie wollen den letzten Südwind für die Fahrt nach Norden nutzen.

Nach eineinhalb Stunden bekommen wir die Freigabe, uns an die Kaimauer des ersten Hafenbeckens zu verlegen. Wir gehen mit dem Heck an die Mauer und mit dem Bug an Bojen. So können wir nach fünf Jahren zum ersten Mal wieder unsere Gangway benutzen.

Sleipnir im Roten Meer

Liegeplatz in Port Ghalib

Abends feiern wir mit Evi und Wolfgang in dem nahegelegenen Restaurant unseren ungewöhnlichen Törn durchs Rote Meer. Von Aden bis Port Ghalib haben wir in neun Tagen über 1000 sm zurückgelegt, und das überwiegend unter Segel.

Port Ghalib ist ein künstlich angelegter Ort zwischen Rotem Meer und Wüste. Es gibt drei große Hotels und viele unbewohnte Appartements. Die Cafes, Restaurants und Touristenläden können wohl nur existieren, weil es von anderen Orten organisierte Busreisen nach Port Ghalib gibt. Trotzdem gefällt es uns hier ganz gut. Ein Cafe bietet Internetzugang (Wifi) und Essen zu akzeptablen Preisen. In einem benachbarten Wohngebiet gibt es einen kleinen Supermarkt und einen Obst- und Gemüseladen mit ausreichendem Angebot.

An einem der ersten Tage fahren wir zusammen mit Evi nach Luxor. Die Fahrt haben wir in einem der Hotels bei Jahnreisen gebucht. Ein Reisebus holt uns morgens um 5 Uhr vor dem Hotel ab. Der Bus fährt zunächst die Küste entlang bis Safaga und hält bei mehreren Hotels, wo weitere deutsch- und französischsprachige Gäste einsteigen. Dann geht die Fahrt durch die Wüste in Richtung Luxor. Kurz vor Luxor wird es plötzlich grün. Es gibt Bäume und Felder, die vom Nil gespeist werden. Regen ist in dieser Region sehr selten. Bei Luxor, dem früheren Theben, fahren wir über den Nil zu der sogenannten Totenstadt. Hier ist das Tal der Könige das erste Ziel. Mit dem deutschsprachigen Führer wandern wir durch das Tal und besichtigen drei Königsgräber. Die Technik der Gräber und die Wandmalereien sind beeindruckend. Es ist kaum vorstellbar, dass dieses schon vor 5000 Jahren geschaffen wurde. Fotografieren ist hier leider nicht erlaubt.

Ein weiteres Beispiel ägyptischer Hochkultur ist der Terrassentempel der Königin Hatschepsut. Er liegt an einem Hang und ist relativ gut erhalten bzw. restauriert.  Von dem Tempel hat man einen herrlichen Blick in das weite grüne Niltal.

Die nächste Station sind die Memnonkolosse (Zwillingsstatuen), die einzigen Überreste der riesigen Tempelanlage des Amenphosis. Von hier aus fahren wir zum Nil, den wir mit einem Motorboot überqueren. Auf der anderen Seite erwartet uns nach einem Mittagessen und einer wilden Kutschfahrt der Karnaktempel.

Hatschepsut-Tempel

Memnonkolosse

Der Karnaktempel ist die mit Abstand größte Tempelanlage Ägyptens und  der bedeutendste religiöse Ort der pharaonischen Zeit. Man betritt die Anlage durch die Sphinx-Allee. Nach dem ersten Pylon, einer Toranlage mit Flankentürmen, gelangt man in einen Saal mit 130 reliefverzierten Säulen. Dann geht es vorbei an den Obelisken zum heiligen See, der zu rituellen Waschungen diente. Es ist überwältigend, was hier vor mehreren tausend Jahren mit einfachen Mitteln geschaffen wurde.

Kutschfahrt in Luxor

Spinx-Allee im Karnaktempel

Säulen im Karnaktempel

Statue im Karnaktempel

Gegen 23 Uhr sind wir wieder in Port Ghalib. Es war eine beeindruckende Reise in die ägyptische Vergangenheit.

Morgens nimmt der ständige Nordwind weiter zu. Der Windmesser zeigt bis zu 35 kn an. Aber an Bord weht nur ein leichter Wind, weil wir geschützt hinter der Häuserfront liegen. Trotzdem kommt noch viel Sand an Bord. Rundherum ist die Sicht durch den Sand stark eingeschränkt. Es knirscht zwischen den Zähnen und man muss sich ständig die Augen reiben. Auch am nächsten Tag hält der Sandsturm an. Das Wrack des deutschen Seglers Antares., das auf dem Riff an der Einfahrt liegt, hat sich weiter in Richtung Land verschoben. Es wird später an Land gezogen. Die Antares soll vor knapp einem Jahr gestrandet sein.

Innenhof in Port Ghalib

Unglückliche Antares

Bei einer genaueren Untersuchung des Impellers stelle ich fest, dass ein Impellerflügel leicht eingerissen ist. Nach 470 Betriebsstunden ist das nicht schlecht. Aber dieser Impeller, den Volvo mir zu Testzwecken zugeschickt hatte, sollte besonders langlebig sein. Es gibt also keinen Fortschritt bei Volvo/Johnson auf dem Gebiet der Impeller.

Täglich analysieren wir die Windverhältnisse im nördlichen Teil des Roten Meeres. Am 23.3. sollte der Wind so schwach sein, dass wir mit Motor weiter nach Norden fahren können. Also bereiten wir die Abreise vor und klarieren morgens im Marinabüro aus. Als Evi und ich das Marinabüro verlassen, kommt uns Wolfgang entgegen. Er hat eine deutliche Zunahme von Wind und Wellen beobachtet und möchte nicht auslaufen. Wir schließen uns an, denn die Fahrt nach Norden würde bestimmt sehr hart werden.

Inzwischen sind weitere Schiffe in Port Ghalib angekommen, unter anderem Ragaine II, Mama Coca, Aqua Magic und Neverland. Die Aqua Magic wurde von der Astra in die Marina geschleppt, weil ihr Motor ausgefallen war. Sie alle haben tagelang hart gegen den Nordwind gekämpft. Nur die Neverland mit Ferdinand und Alwin hat Port Ghalib von Aden kommend mit dem letzten Südwind erreicht.

Am 28.3. laufen wir und die Sleipnir um 11 Uhr wirklich aus Port Ghalib aus. Der Nordwind liegt unter 15 kn und die Wellen sind für uns nicht zu hoch. Die Sleipnir hat mit ihren Außenbordmotoren wesentlich mehr zu kämpfen. Nachmittags nimmt der Wind ab und nachts dreht er auf West. Wir setzen Segel und rauschen mit 6 kn nach Norden. Doch das Vergnügen dauert keine drei Stunden. Dann ist der Wind so schwach, dass wir wieder mit Motor fahren müssen, allerdings jetzt durch ruhiges Wasser.

Mittags erreichen wir die Abu Tig Marina bei El Gouna. Da die Einfahrt schlecht zu erkennen ist, werden wir von einem Boot der Marina abgeholt. Gegen 14 Uhr liegen wir und die Sleipnir in dem kleinen Hafenbecken zwischen vielen Motorbooten an der Kaimauer (Bojen).

El Gouna ist ähnlich wie Port Ghalib ein künstlicher Ferienort zwischen Meer und Wüste, nur wesentlich größer und weiter entwickelt. Um die Marina herum gibt es unzählige Cafes, Restaurants und Läden und es ist viel mehr Betrieb als in Port Ghalib. El Gouna soll das beliebteste Ferienziel der Kairoer High Society sein. Auch uns gefällt das mediterrane Flair im Bereich der Marina sehr gut.

Trotzdem wollen wir möglichst bald weiter in Richtung Suez fahren. Das gefürchtete Rote Meer liegt hinter uns. Der Golf von Suez scheint nach den Prognosen eher schwachwindig zu sein. In einem Cafe mit kostenlosem Internetzgang (Wifi) analysieren wir täglich die Wetterlage. Ein günstiges Wetterfenster ist in der siebentägigen Prognose bereits erkennbar.

Bei einer routinemäßigen Überprüfung des Motors stelle ich fest, dass bei dem kürzlich eingebauten Impeller bereits ein Flügel fehlt. Wenn ich das Problem nicht so intensiv untersucht hätte, wäre jetzt bestimmt Krisenstimmung. Immerhin überprüfe ich noch einmal die Historie der modifizierten Wasserpumpe und zähle die restlichen Impeller nach. In der modifizierten Wasserpumpe ist dieses der zweite Frühausfall.

Am 2.4. laufen wir zusammen mit der Sleipnir kurz vor 7 Uhr aus der Abu Tig Marina aus. Nach der Prognose ist in den nächsten beiden Tagen mit maximal 8 kn Wind aus nördlichen Richtungen zu rechnen. Wir fahren an den Riffen entlang ins offene Wasser und freuen uns, dass die Prognose zu stimmen scheint, wenn man die Windstärken mit dem Erfahrungswert von 1,5 multipliziert. Doch schon bald weht es mit mehr als 20 kn und es entstehen hohe steile Wellen. Wir beschließen deshalb, den nächsten geeigneten Ankerplatz, die Bucht (Marsa) Zeitiya an der Ostseite des Golfes, anzulaufen. Kurz nach 14 Uhr ist es geschafft. Hinter dem langen Riff können wir in ruhigem Wasser neben einem finnischen Segler ankern.

Am nächsten Morgen läuft der finnische Segler bei sehr schwachem Wind aus. Doch er kommt schnell zurück und berichtet uns, dass es draußen mit mehr als 20 kn weht und die Wellen über seinen Bug schlugen. Wir müssen uns wohl auf eine längere Wartezeit einstellen.

Ostern steht vor der Tür, und der Wind wird jetzt auch in der Bucht immer stärker. Als der Wind etwas nachlässt, bringt Wolfgang einen zweiten Anker aus und fährt dann an die Pier, wo ein kleiner Frachter und ein Schlepper liegen. Er kommt nach längerer Zeit zurück und berichtet nichts Gutes. Man wollte sein Schlauchboot an die Kette legen, weil er unerlaubt in militärisches Sperrgebiet eingedrungen ist.

Über die Ostefeiertage weht es mit bis zu 30 kn. Danach nimmt der Wind weiter zu, bleibt aber immer gerade unter 40 kn. Das Wasser spritzt bis zur Sprayhood und der Sand setzt sich in Leinen und Wanten fest und rieselt durch alle Ritzen. Untereinander sind wir ständig in Funkkontakt. Der Skipper des finnischen Seglers ist ein Engländer und heißt John. Er ist mit einer Finnin verheiratet,  im Moment aber allein an Bord. Wir analysieren gemeinsam die Wetterprognosen aus verschiedenen Quellen und sehen in den nächsten Tagen ein geeignetes Wetterfenster für die Fahrt nach Suez. Es soll sogar wieder Südwind geben.

Am 10.4. ist es so weit. Der Wind hat stark abgenommen und das Meer ist morgens schon erstaunlich ruhig. Gegen 7 Uhr laufen die Sleipnir und die Aquila in Richtung Suez aus. Die Bluesipp folgt etwas später.

Gegen Mittag setzt bereits ein leichter Südwind ein. Aber erst um Mitternacht ist der Wind so stark, dass wir ohne Motor segeln können. Es herrscht ein reger Schiffsverkehr. Die riesigen Containerschiffe kommen uns schubweise entgegen. Da wir gerade außerhalb des Fahrwassers fahren, ist der Abstand zu ihnen nicht sehr groß. Ein Frachter kommt uns plötzlich auf der falschen Seite entgegen, Auch viele Fischer sind außerhalb des Fahrwassers unterwegs. Es ist eine anstrengende Nachtfahrt, bei der an Schlaf nicht zu denken ist.

Abu Tig Marina

Kleine Aquila

Morgens nehmen Wind und Wellen weiter zu. Es weht zeitweise mit 35 kn aus Südwest. Auch kurz vor dem Suezkanal sind die Wellen immer noch sehr hoch. Unmittelbar vor der Einfahrt in den Kanal kommen uns Zweifel an der Richtigkeit unserer Navigation. Wir sind an den Rand des Fahrwassers geraten, liegen aber insgesamt richtig. Dieser große und bedeutende Kanal ist in seiner Einfahrt einfach schlecht gekennzeichnet. Nach einigen hundert Metern erreichen wir mittags den Yacht Club. Ein junger Mann kommt uns in einem Boot entgegen und hilft beim Festmachen an den Bojen. Die Sleipnir und die Bluesipp sind kurz vorher angekommen.

Nachmittags kommt Captain Heebi (Prince of the Red Sea), unser Agent für den Kanaltransit, an Bord. Er erklärt uns einiges und kassiert gleich 500 USD Vorschuss für die Kanalgebühr und seine Dienste. Schlecht scheinen seine Dienste nicht zu sein. Die drei leeren Gasflaschen (europäisch, australisch), die wir ihm nachmittags übergeben, bekommen wir bereits abends gefüllt zurück.

Am nächsten Morgen bietet uns Karkar, der für den Yacht Club arbeitet, einen Platz an dem kurzen Schwimmsteg an. Wir gehen auf sein Angebot ein und haben damit einen einfachen und schnellen Landzugang. Viel hat der Yacht Club nicht zu bieten. Aber es gibt immerhin kostenlosen Internetzugang (Wifi), Duschen und eine Waschmaschine. Abends feiern wir mit Evi und Wolfgang in einem Restaurant (Sommer Palace), in dem es sogar Bier gibt, unsere ungewöhnliche und erfolgreiche Fahrt von Aden nach Suez.

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